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Kolumbien: Petro bricht Bündnis mit Establishment-Parteien und tauscht Minister:innen aus

Mächtige Parteien der Regierungskoalition gegen Reformen in den Bereichen Gesundheit, Arbeit und Renten. Präsident spricht von "Notstandssituation"

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Petro: Parteien der Regierungkoalition, die gegen die Reformen arbeiten, seien "sektieririsch"
Petro: Parteien der Regierungkoalition, die gegen die Reformen arbeiten, seien "sektieririsch"

Bogotá. Kolumbiens Präsident Gustavo Petro hat die Koalition mit den traditionellen Parteien im Kongress aufgekündigt. Deren Führungen hatten ihren Fraktionen verboten, für seine Gesundheitsreform zu stimmen, obwohl sie sich als "Regierungsparteien" deklariert hatten.

"Diese Situation führt uns zu einem Umdenken in der Regierung", erklärte der Präsident. Er wechselte sieben Minister:innen aus. Drei von ihnen gehörten den traditionellen Parteien an oder standen ihnen nahe.

Nach dem Wahlsieg Petros erklärten sich die drei großen Parteien Partido Liberal (PL), Partido Conservador (PC) und Partido de la U bereit, die neue Regierung im Kongress zu unterstützen. Petro berief daraufhin mehrere ihrer Mitglieder in Behörden und in die Regierung.

Das linke Regierungsbündnis Pacto Histórico konnte dann mit Hilfe der Fraktionen von PL, PC und U Mehrheiten im Senat und Repräsentantenhaus bilden, um nur drei Monate nach dem Amtsantritt Petros eine progressive Steuerreform zu verabschieden.

In diesem Jahr stellen sich jedoch die PL, PC und U zunehmend gegen die Reformen in den Bereichen Gesundheit, Arbeit und Renten. Nachdem es der Regierung dennoch gelang, die Gesundheitsreform in der ersten Debatte im 7. Ausschuss des Repräsentantenhauses durchzubringen, forderten die drei Parteiführungen ihre Abgeordneten auf, bei den kommenden Debatten dagegen zu stimmen.

Der PL-Vorsitzende und Ex-Präsident César Gaviria, der 1990 den Neoliberalismus mit aller Macht durchgesetzt hatte, drohte den Parteimitgliedern mit Sanktionen, sollten sie nicht gegen die Gesundheitsreform stimmen. Sie sieht eine Rückführung des Gesundheitssystems in die öffentliche Hand vor.

18 der 33 Abgeordneten der PL zeigten sich bestürzt und empört über die Drohung Gavirias und bezeichneten die angekündigten Maßnahmen gegen die Befürworter des Projekts als unangemessen und undemokratisch.

"Die vereinbarte politische Mehrheitskoalition endet heute aufgrund der Entscheidung einiger Parteivorsitzender. Einer von ihnen bedroht die Mehrheit seiner eigenen Fraktion", kritisierte Petro und bezeichnete sie als "sektiererisch".

In einer Rede anlässlich der Übergabe von Landtiteln an Kleinbäuer:innen warf der Präsident dem Kongress zudem vor, die Landverteilung zu verhindern.

Er verwies auf einen Artikel im Nationalen Entwicklungsplan (PND), der in den Debatten untergegangen sei. Er ermöglicht eine "sanfte und friedliche Verhandlung" mit Großgrundbesitzer:innen, um ihr Land zu kaufen, anstatt es zu enteignen. Enteignungen "zum Wohle der Allgemeinheit" sind laut Verfassung erlaubt. Sollte dieser Artikel nicht verabschiedet werden, sei die im Friedensvertrag mit der Farc-Guerilla vorgesehene Umverteilung von drei Millionen Hektar Land an die Landlosen nicht möglich, warnte Petro.

Der Staatschef deutete an, dass die Funktionäre seiner Regierung die Agrarreform nicht schnell genug voranbringen. Um die Preise zu senken müsse dafür gesorgt werden, dass zum Beispiel mehr Nahrungsmittel produziert würden, anstatt sie zu importieren. "Wer dazu nicht in der Lage ist, hat in unserer Regierung nichts mehr zu suchen", sagte Petro.

Er kündigte außerdem an, dass die Regierung den Notstand ausrufen müsse. Das bedeute, Regierungsteams zu bilden, die Tag und Nacht arbeiten, um die sozialen Ziele zu erreichen, "und nicht nur, um Gehälter oder Provisionen zu kassieren", fügte Petro hinzu. "Wir können nicht länger warten".

Ebenso rief der Präsident die soziale Bewegung der Kleinbäuer:innen dazu auf, sich zu organisieren, mobil zu machen und ihre Rechte einzufordern.

Zu den scheidenden Minister:innen gehört die Leiterin des Agrarressorts, Cecilia López, die der Liberalen Partei nahesteht, aber bereits vor der Präsidentschaftswahl Petro unterstützt hatte. Die neue Ministerin, Jhenyfer Mojica, hatte nach seinem Amtsantritt den Aufbau des neuen Landwirtschaftsministeriums geleitet.

An die Stelle des Finanzministers José Antonio Ocampo tritt Ricardo Bonilla, der mit Petro in dessen Amtszeit als Bürgermeister von Bogotá zusammengearbeitet hat. Auch Verkehrsminister Guillermo Reyes von der Partido Conservador, der wegen seines Umgangs mit der Luftfahrtkrise in die Kritik geraten war, verlässt die Regierung. Sein Nachfolger, William Camargo, war seit August 2022 Leiter der Nationalen Infrastrukturbehörde und hat mit Petro ebenfalls in Bogotá zusammengearbeitet.

Die Ministerin für Informations- und Kommunikationstechnologien, Sandra Urrutia von der Partido de la U, wird durch Mauricio Lizcano, den bisherigen Leiter der Verwaltungsabteilung der Präsidentschaft, ersetzt. Auch der Minister für Wissenschaft wurde ausgewechselt.

Luis Fernando Velasco ersetzt Alfonso Prada als Innenminister. Velasco gehört zum "rebellischen" Flügel der Partido Liberal, der gegen die Entscheidungen Gavirias opponiert. Er hat Petro seit dessen Wahlkampf begleitet.

Überraschend war die Ablösung der Gesundheitsministerin Carolina Corcho durch den ehemaligen Bürgermeister von Ibagué und Ex-Gouverneur von Tolima, den Arzt Guillermo Alfonso Jaramillo. Corcho war von den privaten Gesundheitsunternehmen, den Medien und den traditionellen Parteien wegen der Gesundheitsreform heftig angegriffen worden.