Guatemala / Politik

Aktivisten statt Korrupte: Präsident ernennt neue Gouverneure in Guatemala

Kandidaten wegen Korruptionsverdacht abgelehnt. Indigene, Frauen und Sozialaktive unter den neuen Gouverneuren. Lokale Räte oft auch korrupt

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Von einem der Gesichter des Widerstands zum Gouverneur von Sololá: Édgar Tuy
Von einem der Gesichter des Widerstands zum Gouverneur von Sololá: Édgar Tuy

Guatemala-Stadt. Der progressive Präsident Bernardo Arévalo hat zwölf weitere Gouverneure ernannt. Im März hatte der Staatschef nur acht Kandidaten anerkannt und die übrigen abgelehnt, weil sie seiner Meinung nach zu sehr mit der alten Politik und der Korruption verbunden waren.

Mit der Entscheidung sind jetzt 20 der 22 Departamentos neu besetzt, nur in Baja Verapaz und Retalhuleu gibt es bisher keine neuen Regierungschefs, dort bleiben die alten Gouverneure provisorisch weiter im Amt.

Die Gouverneure in den Departamentos werden von den Entwicklungsräten (Consejos Departamentales de Desarrollo, Cocodes) vorgeschlagen, das letzte Wort hat der Präsident. Die Einrichtung der Cocodes war Teil des Friedensabkommens zwischen Guerilla und Regierung von 1996. Sie sollen auf lokaler Ebene Infrastruktur- und soziale Entwicklungsprojekte vorantreiben und können dafür Gelder beantragen.

Doch die im Staat weit verbreitete Korruption machte auch vor den Cocodes nicht halt und lähmte viele Projekte. Der Universitätsprofessor Eduardo Vital erklärte gegenüber amerika21, dass die Gründung der Cocodes nach dem bewaffneten Konflikt lediglich eine "Demokratisierung der Korruption" gewesen sei. "Seit dem Putsch von 1954 hat sich in Guatemala ein Korruptionsnetzwerk etabliert, das staatliche Gelder zur eigenen Bereicherung nutzt. Dieses Netzwerk existierte sowohl in den Militärregierungen als auch in demokratisch gewählten Regierungen" erklärte Vital.

Von verschiedenen Stellen war befürchtet worden, dass die korrupten Netzwerke nach dem Verlust des Präsidentenamtes die Gouverneure weiterhin für die Veruntreuung staatlicher Gelder Nutzen könnten. Über die Gouverneure fließt ein Teil des Staatshaushaltes in die Departamentos.

Bei den zwölf zuletzt ernannten Kandidaten griff Arévalo nur in fünf Fällen auf Vorschläge der Cocodes zurück. Sieben Gouverneure wurden am Donnerstag direkt vom Staatschef ernannt, in den Fällen, in denen keine Auswahlliste übermittelt wurde, die Kandidaten wiederholt oder die im Gesetz festgelegten Fristen nicht eingehalten wurden. Dazu sei der Staatspräsident laut einem Urteil des Verfassungsgerichts befugt, hieß es hierzu aus Regierungskreisen.

Unter den neu ernannten Gouverneuren finden sich einige interessante Persönlichkeiten. Der neue Gouverneur des Departamentos Sololá ist Édgar Benjamín Tuy Bixcu. Der ehemalige indigene Bürgermeister war eines der Gesichter des Widerstands gegen den versuchten "technischen Staatsstreich" im vergangenen Jahr. Die alten Eliten um die Generalstaatsanwaltschaft hatten versucht, Arévalos Amtsantritt zu verhindern, vor allem indigene Organisationen hatten monatelang unter anderem mit Straßenblockaden dagegen demonstriert.

Die neue Gouverneurin für Huehuetenango ist Elsa Hernández Méndez. Die studierte Sozialarbeiterin und Aktivistin gehört zur Volksgruppe der Maya-Mam, einer der größten indigenen Völkern in Guatemala. Zu den Problemen im Departamento gehören die "Unterernährung, extreme Armut, Schwangerschaft von Mädchen und die Gewalt", sagte sie in einem Video. Darunter "würden vor allem die Maya-Völker leiden". Den Problemen wolle sie mit "einer mobilen Departamento-Regierung entgegenwirken, die in die Gemeinden kommt, die Probleme anhört und Lösungen entwickelt."

Angelina Aspuac wird künftig das Departamento Sacatepequéz regieren. Die soziale Aktivistin gehört dem Volk der Maya-Kaqchikel an und war aktiv in indigenen Bewegungen vor Ort und ist Mitglied des nationalen Verbandes der Weberinnen und Weber. Die neue Gouverneurin von Suchitepequéz ist Mariana Enríquez Cotón, Anwältin, Historikerin und soziale Aktivistin.

Das Departamento Alta Verapaz wird mit Dilia Có Coy von einer indigenen Frau vom Volk der Maya-Poqomchí regiert. Có Coy aus dem Landkreis Tactic hat 25 Jahre Erfahrung im Management von sozialen Projekten, schreibt Prensa Comunitaria. Auch in Chimaltenango und Totonicapán stehen mit María del Tránsito Calán und Delfina García zukünftig indigene Frauen an der Spitze der regionalen Regierung. García war bereits im März zur Gouverneurin ernannt worden. Sie hatte bei den Wahlen im vergangenen Jahren erfolglos als Abgeordnete für die Partei des Präsidenten Movimiento Semilla kandidiert und sich besonders für den Schutz der Umwelt und der Territorien ausgesprochen

Die Indigenen, vor allem die Angehörigen der 22 Volksgruppen der Maya, stellen rund die Hälfte der Bevölkerung. Sie sind traditionell in Politik und Gesellschaft unterrepräsentiert. Auch im neuen Kabinett von Arévalo ist nur eine Ministerin indigener Herkunft, was Arévalo bei der Bekanntgabe seines Kabinetts auch Kritik eingebracht hatte (amerika 21 berichtete).

Neben dem hohen Anteil an Indigenen sind mehrere politische Aktivisten als neue Gouverneure ernannt. Der Péten wird von Mauricio José Acevedo Sandoval regiert, aktiv in der Regierungspartei Movimiento Semilla. Acevedo hatte erfolglos im Landkreis San José für das Amt des Bürgermeisters kandidiert.

In Quetzaltenango steht Aldo Fernando Herrera Scheel zukünftig dem Departamento vor. Herrera kandidierte für das Bürgerkomitee Sacándole Brillo a Xela (SBX) für das Bürgermeisteramt und erreichte bei den vergangenen Wahlen den zweiten Platz. Das SBX setzt sich für eine ökologische und soziale Stadtentwicklung ein, wie Herrera im Interview mit junge Welt erklärt hatte.